Nachlese zum Science Talk > Was verbindet Wissenschaft und Demokratie?
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Wien (APA-Science) - Wissenschaft und Demokratie haben auf den ersten Blick nicht viel gemein. Was verbindet die beiden? Das war die Frage im Kern des gestrigen "Science Talk", zu dem das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung geladen hatte. Konsens herrschte am Diskussionspodium jedenfalls über eines: "Unsere Erkenntnisse müssen frei sein", so die Historikerin Daniela Angetter-Pfeiffer.
Wissenschaft und Demokratie sind ein Teil von uns und ein Teil unserer DNA. Das ist jedenfalls die Hauptbotschaft von "DNAustria" des Bildungsministeriums. Mit der lancierten Kampagne soll das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaft und Demokratie gestärkt werden. Warum? Weil dieses Vertrauen nicht immer gegeben ist, wie diverse Umfragen aus der Vergangenheit zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Wissenschaft gezeigt haben.
"Weg mit dem Bekenntniszwang!" lautet der Titel eines Pragmaticus-Artikels von Konrad Paul Liessmann, der im April erschien. Nikolaus Kopernikus und Charles Darwin hätten heutzutage ihre jegliche Mühe gehabt, so der Kommentar des österreichischen Philosophen, denn mit ihren oft ungeliebten Theorien wären sie in der heutigen Wissenschaft am Konformismus gescheitert. Haben wir es mit Bekenntnissen zu tun? Oder doch mit Erkenntnissen? Das war die inoffizielle Frage des Abends mit der klaren Antwort: Die Wissenschaft sollte niemandem hörig sein.
Wissenschaftsskepsis und Demokratieskepsis Hand in Hand
"Warum verhandeln wir das überhaupt in einem Atemzug?", fragte Alexander Bogner eingangs. In der Wissenschaft ginge es schließlich um Wahrheiten, während es in der Demokratie um Mehrheiten geht. "Das hat mit der gegenwärtigen Diagnose zu tun, dass Wissenschaftsskepsis und Demokratieskepsis irgendwie zusammen gehören", erklärte der Soziologe von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Demokratie und Wissenschaft hätten zwar auf den ersten Blick mehr gemein als man glaubt, nämlich eine "Fähigkeit zur Selbstrelativierung", aber die Wissenschaft für die Demokratie verantwortlich zu machen, solle man nicht. Das führe auch zu einer Überforderung an den Universitäten. "Wenn Wissenschaft demokratiefreundlich sein soll, dann muss sie skeptisch sein - in erster Linie sich selbst gegenüber", betonte Bogner. "Für Demokratie garantieren kann die Wissenschaft nicht, aber das ist nicht ihr Job."
Das Übel für Wissenschaftsfeindlichkeit und antidemokratische Einstellungen in der Bevölkerung liege, so Karin Bischof, auch in unrealistischen Erwartungen begraben. "Von der Politik und Demokratie wird Einheit und Einigkeit, und von der Wissenschaft wird Eindeutigkeit erwartet", erklärte die Politologin von der Universität für Weiterbildung Krems. "Beides ist unerfüllbar, beziehungsweise widerspricht es eigentlich dem Wesen der beiden."
Eigene Gedanken unerwünscht?
Es war Kaiser Franz II., der damals über die Professoren an der Medizinischen Fakultät Wien gesagt hat: "Wer für mich dient, der muss das lehren, was ich befehle. Eigene Gedanken sind unerwünscht", erzählte Daniela Angetter-Pfeiffer. "Das hat damals natürlich sehr viel Gegenwind in der Scientific Community erzeugt", betonte die Historikerin von der ÖAW.
Arbeitet die Wissenschaft für die Politik, die Industrie und die Wirtschaft? Oder arbeitet die Wissenschaft für den Menschen? Auch wenn man sich hier am Podium darüber einig war, dass sie für den Menschen arbeiten muss, so hat sich das im Laufe der Geschichte immer wieder verändert, erzählte Angetter-Pfeiffer. "Es ist wichtig, dass wir die Chance auf freie Forschung haben."
Aber braucht die Wissenschaft denn überhaupt die Demokratie? "Das kommt darauf an", meinte Bischof. "Es gibt Beispiele wie die Eugenik, die in demokratischen Ländern vorangetrieben und in Deutschland auf die Spitze getrieben wurde. In diesem Sinne ist es klar: Wissenschaft braucht Demokratie nicht unbedingt. Aber eine Wissenschaft, die sich als demokratisch versteht, braucht es auf jeden Fall." Es sei wichtig, dass die Wissenschaft unabhängig von wirtschaftlichen und politischen Interessen forschen kann. "Am Beispiel Ungarn sehen wir, dass die Gefährdung dieser Unabhängigkeit alles andere als weit weg ist", so die Politologin.
Impfpflicht als demokratiepolitische Herausforderung
Es hat immer schon Experimente an Menschen gegeben, vor allem in der Medizin, wo man ohne Einverständnis der Betroffenen Forschung betrieben hat. Als populäres Beispiel führte Angetter-Pfeiffer die Einführung der Pockenimpfung im 18. Jahrhundert an. Die hat Maria Theresia an Kindern in einem Waisenhaus testen lassen. "Die Kinder wurden natürlich nicht gefragt", betonte die Historikerin. Auch wenn die berühmte Habsburgerin angesichts der grassierenden Epidemie viel Gutes bewirkt hat: "Im Prinzip müsste man diese Impfungen an den Waisenkindern heute als Menschenversuche bezeichnen."
Kaiserin gibt es keine mehr, warf Moderator Christian Zillner vom Wissenschaftsmagazin Heureka ein, aber in der Corona-Pandemie gab es viele Menschen, die das Gefühl hatten, beim Impfen kein Mitspracherecht gehabt zu haben.
"Das ist ein demokratiepolitisches Problem", so Bogner. Denn die Menschen würden sich oft nicht fachkundig genug fühlen, um mitreden zu können. Für "unfair" hält das auch Florian Aigner von der Technischen Universität (TU) Wien. "Dass von Leuten, die sich gegen das stellen, was als politisch wissenschaftlicher Konsens verkauft wird, verlangt wird, dass sie ihre ideologische Meinung mit wissenschaftlichen Studien belegen, das ist vielleicht auch nicht fair", betonte der Physiker und Wissenschaftspublizist.
Wichtig sei es, verständlich zu kommunizieren. "Ich habe manchmal den Eindruck, dass es im deutschen Sprachraum als ein erstrebenswertes Distinktionsmerkmal gilt, nicht verstanden zu werden. Man macht das auch, um einen Habitus zu zelebrieren", sagte Aigner und weiters: "Wir brauchen einen gewissen Kulturwandel, den Mut zur Einfachheit. Wenn ich verstanden werde, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Das ist die Kultur, die wir brauchen."
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