Nachlese zum Science Talk > Sterngucken mit Profis - Astronomische Forschung in Österreich und mit der ESO
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Science Talk beleuchtet Tor zum Weltraum für Österreich
Wien (APA-Science) - Ins Weltall und auf astronomische Forschung von Österreich und der Europäischen Südsternwarte (ESO) schaute man Montagabend beim Science Talk "Sterngucken mit Profis", zu dem das Bildungsministerium (BMBWF) eingeladen hatte. Expertinnen und Experten öffneten den Blick auf das, was das im Bau befindliche "Extremely Large Telescope" (ELT) der ESO einmal bringen könnte und Österreichs Beitrag. Der neue Hoffnungsträger sollte uns einmal der Beantwortung näherbringen, ob wir etwa allein im Universum sind und was einmal mit der Sonne passieren wird.
"Es gibt kein besseres Astronomie-Projekt in der Welt", sagte João Alves vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Die Rede ist von eben diesem ELT der Europäischen Südsternwarte in Chile. Im Jahr 2028 soll das weltgrößte optische Teleskop seine Arbeit aufnehmen und neue Planeten und Galaxien erforscht werden. "Es ist so groß, wie die Dachgeschosshöhe des Stephansdoms, also 80 Meter", erzählte Daniel Weselka, Leiter der Grundlagenforschung (MINT) & Forschungsinfrastrukturen im BMBWF: "Es ist 600 Tonnen schwer und wird vibrationsfrei gedreht, wenn es einmal fertig ist. Das ist weltweit einmalig."
Österreich und ESO - "eine Erfolgsgeschichte"
Österreich ist an dieser Errungenschaft maßgeblich beteiligt. Der Hauptspiegel des Teleskops hat einen Durchmesser von 39 Meter und wird aus mehreren hundert Spiegelelementen, die mit einer Technik aus Linz gesteuert werden, bestehen. Ronny Ramlau und sein Team vom Institut für Industriemathematik der Universität Linz haben mit Hilfe sogenannter "adaptiver Optik" präzise Algorithmen entwickelt, damit man später hochwertige Bilder sehen wird können.
Derzeit arbeitet der Forscher mit einer italienischen Firma, die den verformbaren Spiegel für das ELT produziert, zusammen: "Auch da ist dann wieder ein Stück österreichische Ingenieurkunst mit drinnen", so Ramlau.
"Österreich und die ESO ist eine Erfolgsgeschichte", bilanzierte Weselka. Nach mehr als 30-jährigen Bemühungen wurde die Republik mit 1. Juli 2008 Mitglied der im Jahr 1962 gegründeten Südsternwarte. 2012 stimmte Österreich zudem für das rund 1,4 Milliarden Euro teure neue Spitzenteleskop. Der studierte Physiker befasst sich seit etwa 20 Jahren mit der ESO und er beschreibt sie herzlich als eine "seiner Lieben". Gemeinsam mit João Alves repräsentiert er Österreich im ESO-Council.
"Mit dem ESO-Beitritt wurde die Astronomie in Österreich konkurrenzfähig. Unser Anteil an der ESO liegt bei 2,3 Prozent, und wir haben circa 4 Prozent Beobachtungsanteil", sagte er. Es handle sich hierbei um ein "großartiges" Beispiel, wie Steuergelder gut eingesetzt sind - wohlwissend, dass es einen "Return of Investment" für die Österreicher und Österreicherinnen geben muss.
Die technologische Führung der ESO sei "das wichtigste Asset" für Österreich als Zugang zum Weltraum. "Wir können unsere Studenten und Studentinnen auf Weltklasse-Niveau ausbilden. Sie haben Zugang zu den besten Geräten der Welt. Das heißt, wenn Sie in Österreich Astronomie studieren, dann haben Sie Glück", so Weselka.
Europa - das Erfolgsmodell schlechthin
Linda Tacconi vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik untersucht Galaxien. Sie ist in den USA geboren, ein Land, zu dem man oft schaut, wenn es um die neueste Technologie geht: "Aber kein Land allein, nicht einmal die USA, können ein Projekt in dieser Vielfalt auf die Beine stellen", sagte die Forscherin. Denn Astronomie ist teuer.
Am Bau des ELT waren 16 ESO-Mitgliedsstaaten beteiligt. Diese Kooperation sei der Grund für den Erfolg der ESO. Die Zusammenarbeit bringe eine finanzielle Sicherheit und eine Stabilität, die im Rest der Welt unbekannt sei, betonte sie. Und aufgrund dieser Zusammenarbeit konnte das ELT inmitten der Corona-Pandemie finanziert werden. Im Gegensatz dazu hinken die Vereinigten Staaten auf diesem Gebiet hinterher, meinte die Forscherin: Zwei Konkurrenzprojekte in den USA seien unterfinanziert.
"ESO hat heute die besten Teleskope in der Welt, und das war ein Grund, warum ich in die entgegengesetzte Richtung gezogen bin, obwohl die Karawane normalerweise von Europa in die USA zieht", erklärte Tacconi ihre Entscheidung, in Europa zu forschen. In der Astronomie sei es also umgekehrt.
"Wir werden die Dinge mit einer Klarheit sehen, die viel effektiver ist als das, was das James-Webb-Teleskop derzeit liefert", so die Forscherin. Das James-Webb-Weltraumteleskop wurde im Dezember 2021 von der NASA in den Weltraum gebracht und liefert seitdem Bilder und Erkenntnisse über die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien. Es richtet seinen Infrarotblick zu den Anfängen des Alls, während das neue ELT einmal mehr ins Detail gehen könnte.
Astronomie im Alltag
Weselka unterstrich nochmals den Nutzen der Forschung: "Es muss an die Gesellschaft zurückgegeben werden, was die Gesellschaft finanziert." Zurückgeben werde nicht nur eine gewisse Kultur und Know-how, sondern es werden auch ganz konkret technologische Erneuerungen geschaffen, die uns im Alltag unterstützen.
So stellt etwa die Firma Schott mit Sitz in Mainz die Glasrohlinge für die Spiegel des Teleskops her - aus einem Material, das die meisten von uns benutzen: "Wenn Sie ein Ceranfeld haben, dann ist das aus Zerodur, das für die Spiegel in der Astronomie entwickelt wurde", so Weselka.
Jeder von uns hat "Astronomie in der Tasche", wenn er ein Smartphone besitzt, betonte João Alves. "Das ist eins zu eins die Technik, die aus der astronomischen Forschung kommt. Es ist nicht Magie. Es ist angewandte Astronomie."
Sind wir allein im Universum? Was ist das Schicksal unserer Sonne? Warum sind wir hier? Diese uralten Fragen der Menschheit konnten an diesem Abend selbstverständlich nicht beantwortet werden, aber man erhofft sich einige Antworten - vom ELT. Ein paar Jahre müssen wir uns aber noch gedulden.
Service: ELT: https://elt.eso.org/
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