BMBWF-Publikation zu Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung veröffentlicht
Unter dem Titel „Es geht etwas weiter! Wie geht´s weiter?“ präsentierte das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung am 22. November die vom IHS (Angela Wroblewski, Angelika Striedinger) im Auftrag des Ministeriums verfasste Studie zur Geschlechtergleichstellung in Wissenschaft und Forschung in Österreich. Die knapp 130 Seiten umfassende Publikation stellt die Situation Österreichs im EU-Vergleich an den Anfang und behandelt in weiteren Kapiteln die Universitäten, die Fachhochschulen und die außeruniversitäre Forschung – sowohl im Gesamtüberblick als auch auf Ebene der einzelnen Einrichtungen. Wissenschaftsminister Heinz Faßmann betont, dass es für zielgerichtete und nachhaltige Maßnahmen zur Gleichstellung immer wieder der Analyse des Ist-Standes bedürfe, wie es die vorliegende Publikation darlegt: „Daten schaffen Bewusstsein“, stellt Faßmann fest. „Sie liefern in weiterer Folge die Grundlage zur Konzipierung und Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen. Deshalb war und ist es mir ein besonderes Anliegen, unser Indikatorensystem im Bereich der Gleichstellung stetig zu verbessern und mit dieser vorliegenden Publikation die nationalen Beiträge zur Weiterentwicklung des Europäischen Forschungsraums zu dokumentieren“, so Wissenschaftsminister Faßmann.
Österreich im europäischen Vergleich
Die Analyse der Gleichstellungsindikatoren der österreichischen Wissenschafts- und Forschungslandschaft im internationalen Vergleich zeigt, dass sich die Situation in Österreich vor allem in Bezug auf Hochschulleitungen und Professuren in den letzten Jahren überdurchschnittlich positiv entwickelt hat. Trotz dieser erfreulichen Tendenzen gibt es in einigen Bereichen noch Aufholbedarf, da Frauen in Österreich in Wissenschaft und Forschung weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind. So lag Österreich 2015 mit einem Frauenanteil von knapp 30 % bei Wissenschafter/innen und Forscher/innen im EU-Vergleich im letzten Drittel (EU-Durchschnitt 34 %). Auch bei der Einkommensschere (Gender Pay Gap) zwischen Männern und Frauen im Wissenschafts- und Forschungsbereich lag Österreich mit 19,5 % Einkommensunterschied zugunsten der Männer über dem EU-Durchschnitt von 17,9 %.
Befunde zu den Universitäten
Die Befunde zeigen, dass an den Universitäten bei den Studierenden die Frauenanteile nach Wissenschaftszweigen bzw. Studienfeldern sehr stark variieren. Während im Jahr 2016 knapp 71 % der geistes- und kulturwissenschaftlichen Studien von Frauen belegt waren, entfielen nur 29 % der ingenieurwissenschaftlichen Studien auf Frauen. Was die universitäre „Leaky Pipeline“ – das Sinken der Frauenanteile entlang der wissenschaftlichen Karriereleiter – betrifft, so verdeutlicht der langjährige Trend von 2005 und 2015 steigende Frauenanteile auf den höheren wissenschaftlichen Karrierestufen. Nichtsdestotrotz sind 53 % der Studierenden weiblich, während der Frauenanteil bei Professor/innen bei lediglich 23 % im Jahr 2015 lag. Überaus erfreulich stellt sich die Situation beim Frauenanteil bei universitären Leitungen dar. Im Jahr 2016 hatten acht der 22 Universitäten eine Rektorin. Insgesamt betrug der Frauenanteil unter Rektoratsmitgliedern 48 %. Universitätsräte und Senate wiesen ebenfalls ein fast ausgeglichenes Geschlechterverhältnis auf (49 % Frauenanteil in Universitätsräten und 46 % Frauenanteil in Senaten).
Befunde zu den Fachhochschulen
Die Entwicklung der letzten zehn Jahre zeigt an den Fachhochschulen eine Erhöhung des Frauenanteils unter Studierenden sowie eine verstärkte Partizipation von Frauen in der Lehre und unter Studiengangsleitungen. Dies ist auch auf die Ausweitung des Fächerspektrums im Fachhochschulsektor zurückzuführen, sind doch im Gesundheitsbereich 80 % der Studierenden Frauen, in der Technik aber nur 35 %. Die Geschlechtersegregation nach Studienfeldern ist folglich auch an Fachhochschulen gegeben.
Zwischen 2005 und 2016 hat sich das Lehrpersonal an Fachhochschulen mehr als verdoppelt. In diesem Zeitraum ist der Frauenanteil um 11 Prozentpunkte angestiegen. Unter Studiengangsleitungen hat sich der Frauenanteil von 20 % im Jahr 2005 auf 34 % im Jahr 2016 erhöht. Was die Leitungen betrifft, waren 2017 von 27 Geschäftsführer/innen sieben Frauen, was einen Frauenanteil von 26 % ergibt. An neun Fachhochschulen wurde 2017 das Kollegium von einer Frau geleitet.
Befunde zur außeruniversitären Forschung
Die Zahlen zur Gleichstellung in der außeruniversitären Forschung belegen, dass etwas mehr als die Hälfte (53 %) aller Wissenschaftler/innen im außeruniversitären Bereich beschäftigt sind, d.h. in staatlichen oder gemeinnützigen Forschungseinrichtungen und im Unternehmenssektor. Während im Hochschulsektor der Frauenanteil unter Wissenschaftler/innen bei 40 % liegt, besteht im staatlichen Sektor und im privaten gemeinnützigen Sektor ein nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis. Im Unternehmenssektor liegt dagegen der Frauenanteil unter Wissenschaftler/innen bei 17 %.
Ausblick
Die Befunde verdeutlichen, dass gleichstellungspolitische Maßnahmen auf Basis gesetzlicher Vorgaben nachweislich zu mehr Gleichstellung führen. Dies zeigt sich insbesondere bei der Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungspositionen. In einem nächsten Schritt gilt es, vergleichbar effiziente Maßnahmen zu entwickeln, die einen Kulturwandel in Wissenschaft und Forschung vorantreiben. Das BMBWF verfolgt dabei drei – auf europäische Vorgaben abgestimmte – Ziele:
- die Integration der Genderdimension in die Strukturen und Policies in Wissenschaft und Forschung (Kulturwandel in Wissenschafts- und Forschungsorganisationen)
- die Verankerung der Genderdimension in Forschungsinhalte und Lehre
- die Erhöhung der Frauenanteile in allen Bereichen und Hierarchieebenen in denen sie unterrepräsentiert sind
Drei Ziele, die auch in relevanten Strategiedokumenten adressiert werden, wie zum Beispiel in der FTI-Strategie der Bundesregierung, im BMBWF-Aktionsplan für einen wettbewerbsfähigen Forschungsraum (Forschungsaktionsplan), im Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplan oder in den aktuellen Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten für die Periode 2019-2021.
Darüber hinaus setzt das Wissenschaftsministerium in Kooperation mit den Hochschulen konkrete Initiativen um. Beispielsweise hat die österreichische Hochschulkonferenz ein Empfehlungspapier zur Verbreiterung von Genderkompetenz an den Hochschulen entwickelt, um den geschlechter- und diversitätsgerechten Kulturwandel zu forcieren. Für die Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wurden eigene Maßnahmenpakete zur Stärkung von Gleichstellungsstrukturen und hochschulübergreifenden Vernetzungsaktivitäten geschnürt. Allesamt Maßnahmen, um die Gleichstellung in Wissenschaft und Forschung in Österreich nachhaltig in ihrer Wirkung zu stärken.