Schriftliches Interview mit Gabriele-Possanner-Würdigungspreisträgerin Irmtraud Fischer
Was war bzw. ist Ihre Motivation sich u.a. der Geschlechterforschung zu widmen?
Die himmelschreiende Ungleichheitbehandlung der Geschlechter in Geschichte und Gegenwart war für mich die Hauptmotivation, und der Wille, dies zu ändern, treibt mich bis heute an.
Welche Bedeutung hat der Gabriele Possanner Würdigungspreis für Sie?
Ich habe mein ganzes wissenschaftliches Leben Frauen- und Geschlechterforschung betrieben, war die erste habilitierte katholische Theologin Österreichs, noch dazu mit einem feministischen Thema (Die Erzeltern Israels, De Gruyter Berlin 1994). Der Possanner Preis anerkennt das, was ich in der feministischen Theologie initiiert, geleitet und publiziert habe. Diese öffentliche Ehrung bedeutet auch deswegen für mich viel, da man als feministische Theologin immer zwischen den Stühlen sitzt: von der Kirche ungeliebt und beargwöhnt, von Feministinnen unter Generalverdacht, weil Theologin und daher mit der bis heute geschlechterdiskriminierenden kirchlichen Doktrin in Verbindung gesehen.
Was sehen Sie bisher als Ihre „größte“ bzw. wichtigste Errungenschaft im Bereich der Geschlechterforschung?
Das ist eindeutig die Initiierung und Leitung des internationalen Großforschungsprojekts „Die Bibel und die Frauen“ www.bibleandwomen.org, eine durch weltweit von ca. 300 Forscher_innen erarbeitete, in vier Sprachen erscheinende Rezeptionsgeschichte der Bibel, die einerseits dem Verständnis von biblischen Frauenfiguren, andererseits den Bibeldeutungen von Frauen nachgeht und genderrelevante Fragestellungen in den einzelnen Epochen seit der Entstehung der biblischen Schriften erforscht.
Was würden Sie Nachwuchswissenschaftler/inne/n raten, die sich der Geschlechterforschung widmen möchten?
Eine der beiden Arbeiten, entweder Dissertation oder Habilitation, sollten explizit aus dem Gebiet der Geschlechterforschung stammen. Die andere sollte traditionelle Wissenschaft verfolgen, wenngleich man als Genderforscher_in immer einen entsprechenden Blick für die Fragestellungen bewahrt. Denn leider wird – nicht nur in der Theologie – Genderforschung immer noch als Nischenforschung wahrgenommen, Nachwuchswissenschaftler_innen ist daher zu raten, dass sie sich breiter aufstellen.