Schulfreiräume und Gender: Theoretische Grundlagen
Stellt man die Frage danach, wie Mädchen und Buben schulische Freiräume nutzen, dann sind folgende Theoriebezüge von Interesse:
Soziale Konstruktion von Geschlecht
Sich mit Fragen nach der Bedeutung von Geschlecht im Kontext der Nutzung von Schulfreiräumen auseinanderzusetzen, geht von der Annahme aus, dass Geschlecht nicht bloß biologisch fundiert ist, sondern auch sozial hergestellt und konstruiert wird. Was als (typisch) männlich oder weiblich in einer Gesellschaft gilt, wird im alltäglichen Tun hergestellt (doing gender) und gefestigt. Dass es sich um (veränderbare) Herstellungsprozesse handelt, kann man zum einen darin sehen, dass sich die Zuschreibungen im Lauf der Zeit sehr verändert haben (z.B. Ansichten über die Bildungsfähigkeit von Mädchen). Zum anderen finden sich immer wieder Unterschiede zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaften (z.B. ist Fußball in den USA ein typischer „Frauen“sport und „nichts für echte Männer“).
Die Art und Weise, wie Mädchen und Buben in den Pausen in den Schulfreiräumen (inter)agieren, verdeutlicht, welche Bedeutung Geschlecht für die Kinder und Jugendlichen auf verschiedenen Ebenen hat und wie es im Setting Schule „ausverhandelt“ und hergestellt wird. Es zeigt aber auch, welche Möglichkeiten Schulen haben und/oder nützen, um durch verschiedene Rahmenbedingungen und pädagogische Maßnahmen erweiterte Handlungsmöglichkeiten für die Kinder bereitzustellen.
Geschlechterverhältnisse und Nutzung von Freiräumen
Studien zur Raumnutzung von Männern und Frauen sowie Mädchen und Buben haben vielfältige Geschlechterdifferenzen aufgedeckt. Diese variieren jedoch durchaus zwischen Gesellschaftsformen und Regionen, denn die Raumnutzung wird oftmals als Spiegelbild von Gesellschaftsverhältnissen gesehen. Auch Körper erhalten darin besondere Bedeutung für verschiedene „Aneignungsprozesse von Räumen“. Sozialisationsbedingte Zuschreibungen wirken sich in Folge auch auf das Bewegungsverhalten aus bis hin zur Ausprägung von frauen- und männerspezifischen Bewegungsweisen und Sportarten, die sich auch auf das Bewegungsverhalten in den schulischen Freiräumen auswirken. Wenngleich sich für Mädchen und Frauen weitgehend alle Bewegungs- und Sportweisen ihrer männlichen Kollegen geöffnet haben, streben umgekehrt nur wenige Männer und Buben „weibliche“ Bewegungsweisen an.
Schulhöfe als Orte der Gesundheitsförderung und Aushandlung von Geschlechterverhältnissen
Es ist wichtig, Kindern in ihren Schulfreiräumen vielfältige Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten einzuräumen und auch jenseits vorgegebener Muster und Traditionen ein ausreichendes und vielfältiges Bewegen mit alternativen und freudvollen Formen gemeinsamen Erholens, Spielens und Lernens zu bieten. Dafür können planerische Aspekte, die die Kategorien Geschlecht und Alter berücksichtigen, hilfreich sein und Entwicklungsprozesse von Kindern unterstützen.
Schulfreiräume - geschlechtergerecht gestalten und begleiten: Empfehlungen (PDF)
Rosa Diketmüller, Heide Studer